Lebensmittelhygiene - Anwendbarkeit der DIN 10505 - Lüftungseinrichtungen für Lebensmittelverkaufsstätten im Einzelhandel

In letzter Zeit gab es gehäuft Anfragen zur Anwendbarkeit der o.g. DIN - Norm, insbesondere unter Berücksichtigung neuer Verkaufsraumgestaltungen und Darbietungsformen von Lebensmitteln wie „Shop in Shop“ im Einzelhandel.

Stellungnahme:
Grundsätzlich findet die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Anwendung, die in Anhang II, Kap. I Nr. 2 a ausführt, dass „Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, so angelegt ,konzipiert, gebaut, gelegen und bemessen sein müssen, dass eine aerogene Kontamination vermieden oder auf ein Mindestmaß beschränkt wird.“ Des Weiteren ergänzt Nr. 5 des gleichnamigen Anhanges und Kapitels, dass „eine ausreichende und angemessene natürliche oder künstliche Belüftung gewährleistet sein muss. Künstlich erzeugte Luftströmungen aus einem kontaminierten in einen reinen Bereich sind zu vermeiden. Die Lüftungssysteme müssen so installiert sein, dass Filter und andere Teile, die gereinigt oder ausgetauscht werden müssen, leicht zugänglich sind."

Bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe können grundsätzlich gemeinschaftliche oder einzelstaatliche Leitlinien herangezogen werden. Sind für eine bestimmte Fragestellung keine Leitlinien bekannt, so wird die Anwendung entsprechender DIN - Normen empfohlen.

Die o.g. DIN - Norm beschreibt den Stand der Technik und ist als einzelstaatliche Leitlinie für eine gute Hygienepraxis gemäß Art. 5 der Leitlinie 93 / 43 EWG i. V. m. Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 geprüft und notifiziert. Insofern wird die Anwendung der DIN-Norm empfohlen.

Gegenstand dieser DIN 10505 sind markt- oder straßenoffene Verkaufsstätten, in denen vorwiegend offene, unverpackte Lebensmittel (siehe Punkt 1 Anwendungsbereich der o.g. Norm) angeboten werden. Unter Punkt 4.1 der o.g. Norm wird angemerkt, dass für die Entscheidung über lüftungstechnische Maßnahmen Einflussgrößen, wie beispielsweise die örtliche Lage, die Immission und Emission am Standort sowie die Innere Belastung und Ausstattung der Lebensmittelverkaufsstätten zu berücksichtigen sind. Daraus ergibt sich, dass für jede Verkaufsstätte individuell vor Ort zu prüfen ist, ob und / oder inwieweit lüftungstechnische Maßnahmen zur Vermeidung oder Minimierung einer aerogenen Kontamination nach den Ausführungen der o.g. Norm erforderlich sind, um der Gefahr einer ekelerregenden oder sonstigen nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln vorzubeugen.

Zur Einschätzung der Erforderlichkeit durch die Lebensmittel-überwachungsbehörden sollten insbesondere folgende Einflussgrößen abgeprüft und maßgeblich in die Entscheidung über das Erfordernis lüftungstechnischer Maßnahmen einfließen:

1.
Äußere Belastung:
hierunter fallen von außen einwirkende Einflussgrößen, die die Außenluft am Standort negativ beeinflussen können, wie beispielsweise die Verkehrsbelastung, die Nachbarschaftsbelegung, Tallage mit geringer Windbewegung sowie die Kundenfrequenz:

Lage in der Nähe / unmittelbar eines Industriegebietes (starke Emission z.B. durch ein Chemiewerk, lack- und lösungsmittelverarbeitende Betriebe, etc.) oder eines landwirtschaftlichen Betriebes, von Abwasseranlagen oder Fettabscheidern.

Lage in der Nähe / unmittelbar von Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen (z.B. Autobahnen, Hauptverkehrsstraßen, eines Bahnhofes, Flughafen etc.) sowie von Parkplätzen.

Hohe / stetige Kundenfrequenz im Ladengeschäft wie z.B. größere Supermarktketten oder Einzelhandel in Fußgängerzone.

2.    
Innere Belastung:
hierunter sind insbesondere die Ausstattungen und Kombinationsgeschäfte in Verkaufsstätten zusammengefasst, welche durch Emission die Verkaufsraumluft negativ belasten können:

Lagerung anderer Lebensmittel, Bedarfsgegenstände oder sonstiger Produkte (z.B. Blumen, Gemüse, Tabakwaren, Lacke, Chemikalien (z.B. Reinigungsmittel) und Textilien in unmittelbarer Nähe zu den offenen Lebensmitteln.

Geräte / Einrichtungen mit Emissionen und Kondensatanfall wie beispielweise Kühlmöbel, Wärmequellen wie Backshops, Öfen, Grillstationen, gasbetriebene Geräte, Klimageräte mit Luftbe-/entfeuchtung oder andere maschinelle Einrichtungen in unmittelbarer Nähe zu den offenen Lebensmitteln sowie Emissionen aus Bauprodukten und Einrichtungsgegenständen.

Weitere Geschäfte / Räume in Verkaufsstätten wie z.B. Friseur, Schuhreparaturgeschäft, Bäckerei, Wäscherei, Vor- und Zubereitungsräume, Lageräume (Verpackungsmaterial, Abfälle, Pfandflaschen / Pfandflaschensammelstellen), Technikräume sowie Toiletten und Sozialräume in unmittelbarer Nähe zu den offenen Lebensmitteln.

Vorhandene Lüftungssysteme in der Verkaufsstätte (z.B. unter Berücksichtigung von Abluft aus Sozial- und Toilettenräumen, Umluft- oder Sekundärluftverfahren in der Verkaufsstätte, Geräte zur Wärmerückgewinnung, Vermeidung der Rückführung / Ansaugung von Abluft zurück in die Verkaufsstätte).

Neben den o.g. Einflussgrößen sind aber auch das individuelle Risiko jedes Produktes sowie dessen Handhabung in der Betriebsstätte in die Beurteilung mit einzubeziehen.

3.
Individuelles Risiko:
hierzu zählen alle Risiken, die vom Produkt selber sowie von seiner individuellen Handhabung ausgehen:

Art der Tätigkeit: Aufschneiden, Zubereiten, Portionieren, Umpacken, verpackte Anbietung

Verzehrsgewohnheit (roh, durcherhitzt)

Die Beteiligung eines maschinentechnischen Sachverständigen nach erfolgter Risikoeinschätzung durch die Überwachungsbehörden ist sicherlich sinnvoll, wenn es darum geht, die vorgelegten Belüftungskonzepte oder auch Gutachten seitens des Lebensmittelunternehmers bezüglich technischer Anforderungen zu bewerten, bei der Risikobewertung ggf. zu unterstützen und Anlagen bei Inbetriebnahme oder im laufenden Betrieb auf ihre Funktionalität sowie auf die hygienerechtlichen Ausstattungen (z.B. Filter, Reinigbarkeit) zu überprüfen.

Die Konzeption und Installierung eines funktionierenden Belüftungssystems sowie die Einholung eines Gutachtens liegen jedoch in der Verantwortung des Lebensmittelunternehmers.

Auf die Forderung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) sowie der ArbStättV (§§ 3, 4), dass bei Erforderlichkeit einer raumlufttechnischen Anlage diese gemäß dem Stand der Technik zu errichten ist, wird an dieser Stelle hingewiesen.
 

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